Mittwoch, 19. Juni 2013

Irgendwo an der Westbahn.
Es könnte natürlich auch anderswo sein.

Eben hatte ich die Gelegenheit an einem Workshop teilzunehmen, in dem es darum ging, wie die Siedlungsentwicklung besser auf vorhandene öffentliche Verkehrsnetze abgestimmt werden kann. Die Raumplanung ist hier in etwas in der Rolle des Huhnes, das ein Entenei ausgebrütet hat. Die beabsichtigte Steuerung der Entwicklung geht außer Kontrolle, weil es politisch nicht opportun ist, zwischen Gemeinden zu differenzieren, die sich entwickeln dürfen, und solchen die es besser nicht gäbe.


Wenn man zu so einem Termin als Tagesreise von Innsbruck nach Wien anfährt, ist bereits das genau genommen einen Unerhörtheit, einen Unschicklichkeit. Ich hatte - rückblickend hat sich das herauskristallisiert – fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen, nur mal so eben die ca. 450km nach Wien und retour zu erledigen, so als wäre es einen Straßenbahnfahrt in die Stadt. Es ändert auch nichts daran, dass so etwas mehr Leute machen, als man meint.


Dabei ist die Fahrt seltsam entrückt – der Boden ist einem ja quasi entzogen – und man erwischt sich dabei, zu fragen ob es schon wirklich sei, oder man sich nicht etwa nur vorstellt, man würde statt z.B. vom Pradler Friedhof zum Rössl in der Au tatsächlich von Innsbruck nach Wien fahren.


Die Orte ziehen vorüber: Vöcklamarkt? Heute übersehen, wohl kurz eingenickt. Amstetten, dort wo sich der Osten langsam öffnet. Melk? Stand es nicht unter Wasser? Vom Rail-Jet sieht man nur das Kloster, als wäre es mit einem Raumschiff im aufgeschäumt erscheinenden Laubwald gelandet.


Beim Workshop sprachen wir von Erreichbarkeiten. Erreichbarkeiten im täglichen Leben. Zum Lebensmittelgeschäft, zur Arbeit, zu Freunden. Wir sprachen von zumutbaren Fahrzeiten. Von Verbindungen in regionale Zentren und von der Frage, wer es zahlt und wer noch überhaupt in den Genuss einen solchen Verbindung mit dem öffentlichen Verkehrsmitteln kommt.


Derweil scheint es aber so, dass sich Österreich auf die Westbahn zusammen zu ziehen scheint. Vielleicht hat Österreich mittlerweile schon ein Gefühl, wie man selbst nach der
Rückengymnastik: Als bestünde man nur mehr aus dem Rückgrat, dieses entsprechend stark; der Rest vernachlässigbar.

So sprechen wir weiter über ländliche Räume, Erhaltung der Mobilität, Möglichkeiten das Problem auf Plänen abzubilden. Wir fragen uns, ob nicht alles in den Gesetzen stünde und man diese einfach exekutieren müsste? Um die Frage gleich zu beantworten: Ja, wir haben diese Regelungen und wir haben auch die Instrumente. Doch alle zögern.

Derweil schrumpft Österreich weiter. Ist dieses Land möglicherweise nur mehr ein ca. 3km breiter Streifen beiderseits der Bahntrasse; oder ist es auf dem Weg dorthin, vollendet, wenn die Mobilitätskosten per Auto so hoch sind, dass nur mehr das bis dahin wahrscheinlich erheblich reduzierte „Zielnetz“ der Bahn verfügbar ist?


Für diese Heimfahrt sorgt die ÖBB, wieder auf den Boden der Tatsachen zu kommen: Streckensperre bei Freilassung wegen Bergung eines Kriegsrelikts. Die Umleitung über Zell am See steht im Raum. Gestern wäre das noch wegen der Streckensperre bei Taxenbach nicht möglich gewesen, da wäre dann Salzburg Ende.


Mit einem Mal steht die Frage im Raum, was wäre, müsste man Salzburg Innsbruck zu Fuß gehen. Mit einem Mal bläht sich das dünne Band des entlang unserer Hauptstrecken geschrumpften Österreich wieder auf, bekommt Tiefe und Weite. Zu Fuß ginge man wahrscheinlich über die Berge, zumal es beim heutigen Wetter dort kühler wäre. ....


Kurz vor Schwanenstadt kommt die erleichterende Meldung, dass die Strecke wieder frei ist. Für dieses Mal ist das Infragestellen unseres Lebensstils (an das der gelernt Bahnfahrer stärker als der Autofahrer gewohnt ist) wieder zurückgestellt.


Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Update um 21h45. Jezt stehen wir in Seekirchen, wegen irgendwas. Der Lautsprecher ist sehr leise.