Dienstag, 7. September 2010

Leopold Gerstel

U.a. auch www.paschberg.blogspot.com berichtete: Architekt Leopold Gerstel ist tot.
Ein kleiner Nachruf - wobei dem Vernehmen nach schon namhafte Innsbrucker Architekten dabei sind, etwas Größeres (eine vollständige Werkdokumentation?) zusammenzustellen.
Dieser Artikel wurde übrigens als Entwurf für die Homepage der Abteilung Raumordnung-Statistik, örtliche Raumordnung begonnen. Es zeigte sich aber, dass der Artikel wohl etwas zu weit vom Thema "Raumordnung" landen würde. Ob das tatsächlich so ist, überzeugen Sie sich bitte selbst.

Täler ohne Eisenbahnen dürfen ausgesiedelt werden.
(bzw. siedeln sich von selbst aus)

Betrachtet man die aktuellen Verkehrskarten wie sie auf der homepage der Landesverkehrsplanung dargestellt sind, so erkennt man deutlich die am stärksten belasteten Achsen in Tirol.
Rechnet man von einem durchschnittlich mit ca. 80 Personen besetzten Regionalbahntriebwagen und einen Halbstundenintervall für Randzonen auf die Hauptverkehrszeit zwischen 7 und 19 zurück so ergibt das eine Verkehrsaufkommen von ca. 4000 Personen pro Richtung.
Rechnet man weiters, dass ein KFZ mit relativ hoch gegriffenen durchschnittlichen 1,5 Personen besetzt ist, so resultiert daraus eine äquivalente KFZ- Anzahl von 2700 Stück – was einen Querschnittsbelastung in beide Richtungen von 5400 KFZ zur folge hat. Bei dieser Überschlagsrechnung wurden allerdings die Stoßzeiten und der LKW-Anteil außer acht gelassen.
Geht man weiters davon aus, dass der Modal-Split nicht eine völlige Verlagerung des motorisierten Mobilitätsanteils von PKW nicht möglich sei (ich betone hier „sei“, da die noch kommenden Sachzwänge sehr wohl eine weitergehenden Verlagerung erzwingen werden) so rechtfertigt einen tägliche Querschnittsbelastung von ca. 10000 KFZ die Errichtung einer schienengebundenen und damit energieeffizienten Infrastruktur zur Sicherung der Mobilität in den betreffenden Bereichen auch nach 2030, dem Zirka-Grenzjahr nach der Olduvai-These .

Erreichbarkeit ist wichtig für die wirtschaftliche Kommunikation.
Doch wie geht das ohne Auto.
Wir haben es verlernt und werden es wieder lernen müssen.

Noch haben wir die Wahl zwischen verschiedenen Medien. Wenn wir jedoch lange warten, bleibt nur mehr das Zufußgehen. Das mag zwar vielleicht sehr langfristig ein Vorteil sein – denn die betroffenen Orte werden wieder das werden, was sie waren: Kleine verträumte Bauerndörfer in denen man z.B. einem Menschen, der sich den Fuß gebrochen hat, die letzte Ölung geben muss. Wahrscheinlich möchte aber keiner (selbst aus den Tiroler Brauchtumsgruppen) mehr freiwillig in die vorindustrielle Idylle zurück. Zwar werden wir bei einem solchen Rückfall in die Steinzeit als Annektionsziel für Chinesen und andere wahrscheinlich nur mehr als Sondermülldeponie interessant sein – doch für uns selbst ist ein solcher Lebensraum dann auch nicht mehr interessant. Gut 600.000 Tiroler werden auswandern müssen.

Wollen wird das nicht, bedeutet es für Tirol, dass sein Energieverbrauch deutlich gesenkt werden muss. Bei den Heizkosten geschieht schon recht viel. Der Verkehr frisst aber alles auf. Es führt daher nichts um die signifikante Reduktion des Autoverkehrs herum – denn auch elektrisch betrieben wird der Straßenverkehr nicht energieeffizient zumal Straßenbau im Verhältnis zu eisenbahnbautechnischen Feinheiten leider reine Steinzeit bleiben wird.


Auszubauenden Bahnstrecken bzw. Netzverdichtungen im Ballungsraum durch ergänzende Bahnstrecken:
Telfs – Kufstein
Wipptal – Innsbruck
Kitzbühel – St. Johann
Landeck – Imst

Neuzubauende Bahnstrecken
Landeck-Prutz
Ötztal/Bahnhof – Ötz
Wörgl/Kufstein - St. Johann

Im Hinblick auf die künftige Entwicklung (wenn man rechtzeitig den Verkehrsmodus änderte, wird es auch nach 2030 noch wirtschaftlich bergauf gehen) neuzubauenden Bahnstrecken
Prutz-Mals bzw. -Schuls
Landeck – Kappl (Ischgl)
Ötz-Sölden
Telfs-Nasserreith bzw. Imst-Nasserreith
Nasserretih-Ehrwald
Reutte-Elmen
Fulpmes-Milders
Jenbach-Achenpass
Kitzbühel-Mittersill-Lienz
Kufstein-Kössen
St. Johann –Waidring -Berchtesgaden

Das Rennen ist eröffnet.
Dem Entscheidungsträger, der sich Zeit lässt und hofft, dass alles eh nicht so schlimm kommt (man muss doch vorher bedenken und abwägen?) angemerkt – es kommt vielleicht schlimmer.
Die Orte in den oben bezeichneten Bereichen, die es nicht schaffen, werden auf den globalen Landkarten verschwinden.

Sonntag, 5. September 2010

Die Ganze Woche. Es ist interessant, dass sich eine eher den Boulevardblättern zuzurechnenden Zeitung Planungsthemas annimmt. Es gibt immer wieder interessante Artikelserien zur Verkehrsplanung (zuletzt Radverkehr und ÖBB) und regelmäßig eine Kolumne von Prof. Hermann Knoflacher.

Zu diesen Themas passt auch der TT-Artikel  "In zehn Jahren ist Europa ruiniert",  wie es kürzlich Jacques Attali, ehemaliger Berater der französichen Regierung formulierte. 


Wenn man schon ohne wirtschaftliche Detailbildung selbst darauf kommen kann, dass das was wir im Straßenbau noch immer treiben Ähnliches ist, was Argentinien in den 40ér Jahren auf anderen Gebieten (Militär? -was sicher der noch größere Humbug ist) gemacht hat, erscheint mir dieser Unkenruf schlüssig - hoffentlich hört man drauf und tut etwas gegen diese Entwicklung. Mit Empörung über die schlechte Nachricht ist Keinem geholfen. In deisem Sinne möge man auch den folgenden Leserbrief verstehen....

Wahrscheinlich ist der Leserbrief an die "Ganze Woche" zu lange - aber man soll ja Zeitungen motivieren, wenn sie sich wichtiger Themen annehmen und dran bleiben:

Zur „Eisenbahneinstellungsorgie“ in Niederösterreich.

So sehr Niederösterreich in manchen Dingen mit gutem Beispiel vorangeht – „Niederösterreich gestalten - schön erhalten“ wird beim fehlenden Erhalt der Nebenbahnen in Frage gestellt.
Das Ende dieser Bahnen (wie z.B. der langsame Tod im Ybbstal seit 1986) ist nur ein Symptom des Untergangs regionale Zentren, die durch die Zersiedlung in deren Umfeld geschwächt werden. Diese Zersiedlung ist lebensstilbedingt bildet ein funktionales Paar mit dem Autoverkehr. Da dieser Lebensstil aber auch am Ende ist, darf man erwarten, dass die so entstandenen Regionen von den Landkarten wieder verschwinden werden.

Niederösterreich verfügt über mehr als ein Drittel der österreichischen Bahnkilometer. Beim Straßennetz sieht das ähnlich aus. Jedem Niederösterreicher „gehören“ ca. 20m Straße und 1m Bahnstrecke. Auch das sind in Österreich Spitzenwerte. Also doch alles bestens?

Stellt Niederösterreich nur deshalb Bahnen ein, weil man sich an den Österreichdurchschnitt angleichen möchte oder weil es anderer Gründe gibt?
Meine Theorie ist, dass man die Bahn aus der Fläche nimmt, weil man damit nachhaltig Landstriche entsiedeln will. Man meint auf die Dauer den steigenden öffentlichen Aufwand nicht in den Griff zu bekommen. Und das wird auch so sein, wenn nicht ausschließlich die Regionen weiterentwickelt werden, die bereits über unmittelbare Bahnanbindungen verfügen.

Auffällig ist, dass der Dauersiedlungsraum Niederösterreichs (also der Fläche, die aufgrund von Lage, Klima und Oberfläche besiedelbar ist) mit Verkehrsinfrastruktur im Österreichvergleich schlechter versorgt wird. Das bedeutet, dass für eine ausgewogene Nutzung der vorhandenen Infrastruktur letztendlich eine Reduktion und Konzentration des tatsächlich besiedelten Teils im Dauersiedlungsraum unumgänglich ist.

Der Straßenverkehr ist nicht zukunftsfähig, da er auch elektrisch betrieben weiterhin einen hohen Flächenverbrauch hat und der Fahrweg im Vergleich zur Bahn energetisch nicht optimiert ist. Der Infrastrukturrückbau wird daher bei der Bahn nicht stehen bleiben, sondern künftig vor allem die Straße betreffen.
Der Verlust an Infrastruktur in dünn besiedelten Gebieten wird die Abwanderungen aus solchen Regionen vollenden. Die Bahn als Rückfallsebene ist zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr vorhanden.

Vielleicht ist unter den so betroffenen Regionen auch das Ybbstal (noch steht die Bahn ja und könnte reaktiviert werden).

Erstaunt darüber darf man leider nicht sein. In den Sechzigerjahren stellte man in der Planung fest, dass sich hochwertige Infrastruktur letztendlich nur für intensiv genutzte Räume bezahlt macht und daher die Peripherie teilweise „geopfert“ werden muss. Wir hatten nun eine Gnadenfrist von 40 Jahren, um in der Raumplanung und der Verkehrsplanung entsprechende Schwerpunkte zu setzen. Leider war das ohne Unterstützung der Politik nicht möglich und so stehen wird nun vor den verschärften Problemen, die bereits 1970 bekannt waren.

Es ist keine Erfüllung für einen Planer, die Bestätigung seiner Unkenrufe zu erleben oder heraufdämmern zu sehen. Aber mehr bleibt leider nicht, wenn „konstruktive Beiträge“ nur erwünscht sind, wenn sie in mehr Straßenbau und mehr (verteilter) Siedlungsfläche münden.

Leider haben Professor Knoflacher und andere Mitstreiter noch nicht genügend Gehör gefunden.



Anmerkung: Die dargelegten Größenverhältnisse habe ich aus einem Österreichvergleich von Straßen und Bahnkilometer in Zusammenhang mit Einwohnerdaten überschlagen. Datenstand ca. 2005, Statistik Austria und  Österreichische Raumordnungskonferenz